Die historische
Stereotypenforschung hat sich um den Bereich der deutsch-tschechischen
Beziehungen bisher wenig gekümmert. Es gibt nur vereinzelte Detailstudien, die
sich vorwiegend mit den tschechischen Stereotypen über die Deutschen
beschäftigen. Die deutschen Stereotypen über die Tschechen, ihr Land und ihre
Geschichte blieben bisher weitgehend unerforscht, obwohl sie einen wichtigen
Themenbereich für die Geschichte der deutschen historischen Identität bilden.
Böhmen galt lange als das „Herzland Germaniens“, und Prag erfreut sich bis
heute der Reputation, eine historisch vermeintlich mehr deutsche als
tschechische Stadt und der Sitz der ältesten vermeintlich deutschen Universität
gewesen zu sein. Deswegen haben deutsche Autoren der historisch-politischen
Literatur seit der Mitte des 19. Jahrhunderts oft Schwierigkeiten gehabt, eine
angemessene Form für die Darstellungen der deutschen Beziehungen zu diesem
Land, zu Prag und zur tschechischen Nation zu finden.
***
Deutschlands
Pflicht ist es, die Slawen nicht so weit vorrücken, nicht in Böhmen festen Fuß
fassen zu lassen. Denn Böhmen ist ein Keil, eingetrieben in die deutsche Eiche,
um sie zu spalten.[1]
Und nun sind die Apostel der Barbarisierung
am Werke, die deutsche Arbeit eines halben Jahrtausends in dem Abgrunde ihrer
Uncultur zu begraben... Seid hart! Vernunft nimmt der Schädel der Czechen
nicht an, aber für Schläge ist auch er zugänglich![2]
[Die
Tschechoslowakei] als Ganzes ist ein recht eigenartiges Gebilde. Wie ein
drachenähnliches Ungetüm mit Böhmen als einem klotzigen Kopf, mit Mähren und
der Slowakei als gestrecktem Leib und mit Karpathenrußland als Schweif stößt es
vom Osten Europas weit gegen die Mitte des Erdteils vor.[3]
Wie der Franzose am Rhein, so bemüht sich
der Tscheche in Böhmen aufs äußerste, ehe wir wieder zu Kräften kommen, uns zu
verdrängen. [...] Es ist ein Krieg von einer Gewalt, wie sie nur selten,
vielleicht nie in der Weltgeschichte entwickelt worden ist: eine tausendjährige
Eiche, die feindliche Hände in ihrem Wurzelwerk treffen und aus dem Boden heben
wollen, um sie ein für allemal zu vernichten. Die beiden Hauptwurzeln, dank denen
sie im mitteleuropäischen Raum aufrecht steht, sind der Rhein und Böhmen. Beide
braucht sie, um leben zu können.[4]
Der Tscheche aber, heute immer noch in der seinem Wesen
vollkommen fremden Gedankenwelt des
Westens verharrend, sieht sich noch immer vom Deutschtum bedroht.[...] Das
Tschechentum sieht gar nicht, wie sehr unrecht es an seiner eigenen
Volkssubstanz tut, wenn es sich aus dem gegenseitigen schöpferischen
kulturellen Verhältnisse zum Deutschtume löst, um sich der liberalistischen
Lehre des Westens in die Arme zu werfen.[5]
Der Deutsche des Reiches soll sich stets
dessen bewußt bleiben, daß der Tscheche niemals Vertrauen zum Deutschen haben
wird. Ein freies, staatliches Ausleben der Tschechen im Sudetenraum wird sich
immer zum Nachteil des mitteleuropäischen Deutschtums auswirken. Der
Deutschenhaß ist einer Naturmacht gleich, die in diesem Raum über Vernunft und
Gefühl herrscht.[6]
Damit aber tritt
das Sudetendeutschtum als ein zuchtvoll und artgemäß gestaltetes Glied der
deutschen Gesamtkultur dem Tschechentum, das sich unter westlerischen und
zuletzt unter russisch-bolschewistischen Einwirkungen nach der Gegenseite
ausgerichtet hat, zur entscheidenden Auseinandersetzung an der empfindlichsten
Stelle der europäischen Hauptfront gegenüber. Es geht wieder einmal beim Kampf
um Böhmen um das Letzte und Ganze.[7]
Was soll schon der Awarensprößling, der sich
Tscheche nennt, mit dem Zeichen der Erneuerung, dem Hakenkreuz, anfangen?[8]
Alle Demokratien sind scheinheilig und
riechen mehr oder weniger nach dem Alten Testament. Die Prager stellt aber noch
einen ganz bestimmten Typ dar, denn hier vermählt sich westlerisches und
halbasiatisches Wesen.[9]
Erlaß des Führers
und Reichkanzlers 1939
Ein Jahrtausend lang gehörten zum Lebensraum
des deutschen Volkes die böhmisch-mährischen Länder. Gewalt und Unverstand
haben sie aus ihrer alten historischen Umgebung willkürlich gerissen und
schließlich durch ihre Einfügung in das künstliche Gebilde der
Tschecho-Slowakei den Herd einer ständigen Unruhe geschaffen. Von Jahr zu Jahr
vergrößerte sich die Gefahr, daß aus diesem Raum heraus - wie schon einmal in
der Vergangenheit - eine neue ungeheuerliche Bedrohung des europäischen
Friedens kommen würde. Denn dem tschecho-slowakischen Staat und seinen Machthabern
war es nicht gelungen, das Zusammenleben der in ihm willkürlich vereinten Völkergruppen
vernünftig zu organisieren und damit das Interesse aller Beteiligten an der
Aufrechterhaltung ihres gemeinsamen Staates zu erwecken und zu erhalten. Er
hat dadurch aber seine innere Lebensunfähigkeit erwiesen und ist deshalb
nunmehr auch der tatsächlichen Auflösung verfallen.[10]
Der
einzige Sinn und Zweck des Staates war, mitten im Herzen des deutschen Volkes
und weit hineinspringend in das geschwächte Reich, Festung, Bollwerk und
‚Flugzeugmutterschiff’ gegen das Reich und gegen alles Deutsche zu sein.[11]
1941
Die Flut der deutschen Ostbewegung hat das
weiche Gestein der kleinen westslawischen Gauvölker allenthalben abgetragen,
nur ein Härtling blieb als Kippe in der Brandung stehen: das Volk der Tschechen
[...] Aber sie sind ein Kleinvolk geblieben mit allen daraus sich ergebenden
Beschränkungen einer vollen Entfaltung.[12]
1950
Seit dem Spätmittelalter wurde die Abwehr
des als übermächtig empfundenen deutschen Einflusses eine entscheidende
Triebkraft in dem düsteren politischen Bewußtsein dieses unglücklichen
Völkchens.[13]
Biologisch gesehen ist also das heutige
Tschechenvolk wie das heutige Sudeten- (und Wiener) Deutschtum eine recht
weitgehend untereinander verschmolzene, familienähnlich verwandte
Gesamtbevölkerung mit viel gemeinsamen, nur ihnen beiderseits eigenen
körperlichen und seelischen Zügen, ohne jede scharfe Grenze zwischen Volk und
Volk. [...] Wohl gemerkt: Jene slawisch sprechenden primitiven Verbände waren
noch nicht gleichzusetzen mit dem Tschechenvolk: Dieses entstand eben schon
ursprünglich aus der Vermählung von germanischem mit "slawischem"
Erbe und wurde seiner als Volk bewußt und seiner Eigenart stolz inne erst nach
reichlicher Blutsaufnahme aus dem anrainenden deutschen Volkstum, und wurde
nachweislich zumeist durch deutsche oder deutschblütige Erwecker immer wieder
vor dem Niedergang und Aufgehen im großen deutschen Reichsvolk bewahrt.[14]
Trotz einer demokratischen Verfassung war
die ČSR ein ‚Völkerkerker’
nicht nur für Deutsche, sondern auch für Polen, Ungarn und Slowaken. München
1938 war die Bankrotterklärung der gegen den Willen dieser Völker errichteten
Tschechoslowakei.[15]
In Böhmen und Mähren haben die Tschechen
ihren Siedlungsboden behauptet, ausgebaut und an den Rändern des bis zum 14.
Jahrhundert gewonnen deutschen Volksbodens, besonders in Sprachinseln, auf
Kosten der Deutschen ausgedehnt.[16]
1992
Die Tschechen haben das deutsche Land 1918
besetzt, sie mußten es 1938 herausgeben, sie haben es 1945 erneut besetzt und
sie halten es besetzt. Das muß unsere Position sein.“[17]
„Den Tschechen darf nichts genommen werden, was ihnen gehört. Das Sudetenland
gehört ihnen nicht, das haben sie besetzt, und das halten sie weiter besetzt.[18]
Immer deutlicher zeigt sich auch die
Ablehnung, Prag als mitteleuropäische Metropole im Kräftefeld zwischen Ost und
West zur Geltung zu bringen. Statt dessen scheint die tschechische Politik ganz
darauf fixiert zu sein, im Westen aufzugehen.[19]
Derlei Schlichtheit spricht seinen
verschwörungssüchtigen Landsleuten aus der Seele. Zwölf Jahre nach der Wende
scheint der zivilgesellschaftliche Werte-Kanon Prager Parteien noch ziemlich
fremd.[20]
2003
Schwejk zieht in die Welt hinaus: Die Bürger
Tschechiens stimmen für den Beitritt zur Europäischen Union[21]
Ob das Ausbleiben einer kritischen
Aufarbeitung dieser Stereotypen eine gute Zukunft verheißt?
[1] Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituierenden National-Versammlung zu Frankfurt a.M. Dreizehnte Sitzung in der Paulskirche, Mittwoch, den 8. Juni [1848], zit. nach Reden für die deutsche Nation 1848/1849. Vollständige Ausgabe in IX Bänden neu verlegt und mit einer Einführung versehen von Christoph Stoll, Bd. 1, München 1988, S. 241.
[2] Theodor Mommsen an die Deutschen in Österreich in der Neuen Freien Presse, 31.10.1897.
[3] Emil Lehmann: Der Sudetendeutsche. Eine Gesamtbetrachtung, Potsdam 1925, S. 13.
[4] Martin Spahn:
Böhmen und das deutsche Volk, in: Sudetendeutsches Jahrbuch 3, 1927, S. 8-11,
hier S. 10f.
[5] Walter Brand: Die
geistigen Grundlagen unserer Bewegung, Karlsbad 1935, S. 17f.
[6] Rudolf Lochner: Sudetendeutschland. Ein Beitrag zur Grenzlanderziehung im
ostmitteldeutschen Raum, Berlin-Leipzig 1937, S. 28-35.
[7] Hans Krebs / Emil Lehmann: Wir Sudetendeutsche!, Berlin 1937, S. 125.
[8] Rudolf Jung: Die
Entstehung des Tschechenstaates und die sudetendeutsche Volksgruppe, in:
Sudetendeutscher Schicksalskampf, hg. v. Erich Kühne, Leipzig 1938, S. 35-52,
hier S. 46.
[9] Rudolf Jung: Die Entstehung des Tschechenstaates und die sudetendeutsche Volksgruppe, in: Sudetendeutscher Schicksalskampf, hg. v. Erich Kühne, Leipzig 1938, S. 35-52, hier S. 47.
[10] Erlaß des Führers
und Reichskanzlers über das Protektorat Böhmen und Mähren vom 16. März 1939,
in: Reichsgesetzblatt, Teil I, 1939, Nr. 47, S. 485.
[11] Karl Hermann Frank: Böhmen und
Mähren im Reich, Prag 1941, S. 21f.
[12] Hermann Aubin:
Geschichtliche Kräfte im Sudetenraum, Leipzig 1941, S. 12 und S. 14.
[13] Georg Stadtmüller: Geschichte Südosteuropas, München 1950, S. 234.
[14] Karl Valentin
Müller: Volksbiologische Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen, in: Die
Deutschen in Böhmen und Mähren. Ein historischer Rückblick, hg. v. Helmut
Preidel, Gräfelfing 1950, S. 291-303, hier S. 299-301.
[15] Die Sudetendeutschen. Eine Volksgruppe im Herzen Europas. Von der Frankfurter Paulskirche zur Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Oskar Böse und Rolf-Josef Eibicht, Ausstellungskatalog herausgegeben vom Sudetendeutscher Rat, München 1989, S. 75.
[16] Conze, Werner: Ostmitteleuropa. Von der Spätantike bis zum 18. Jahrhundert, hg. v. Klaus Zernack, München 1992, S. 93.
[17] Die Tschechoslowakei. Das Ende einer Fehlkonstruktion. Die Sudetendeutsche Frage bleibt offen, hg. v. Rolf-Josef Eibicht et al., Berg 1992, S. 111.
[18] Alfred Ardelt: Unverzichtbare Grundsätze einer sudetendeutschen und Ostdeutschen Heimatpolitik ohne Tabus, in Rolf-Josef Eibicht (Hg.): 50 Jahre Vertreibung. Der Völkermord an den Deutschen Ostdeutschland – Sudetenland, Rückgabe statt Verzicht, Hohenrain-Verlag Tügingen 1995 S. 162-170, hier S. 169.
[19] Peter Becher: Krumauer Thesen, in: Peter Becher: Zwischen München, Prag und Wien, Essays und Feuilletons, München 1995, S. 166-170, hier S. 167.
[20] Süddeutsche Zeitung 25. 4. 2002.
[21] Frankfurter Rundschau 16. 6. 2003.