Tschechische Autoren zu deutsch-tschechischen Beziehungen

 

Karel Kramář: Der nationale Friede

Edvard Beneš: Unsere nationale Hauptaufgabe
In diesem Text des damaligen Präsidenten Edvard Beneš aus dem Jahre 1935 wird einsichtig, welche Vorstellungen er mit der tschechoslowakischen Staatsidee am Vorabend des Zweiten Weltkrieges verband und wie er die politische und kulturhistorische Situation im damaligen Europa einschätzte.

Tomáš G. Masaryk: Hitlers Credo
Der damalige Präsident der tschechoslowakischen Republik, T. G. Masaryk, veröffentlichte unter Pseudonym 1933 in der deutschsprachigen Prager Zeitung „Prager Presse“ seine Gedanken zu Hitlers ideologischem Kanon „Mein Kampf“. Der Text trägt dazu bei, die unterschiedlichen Perspektiven kennenzulernen, aus denen der Nationalsozialismus in Tschechien und in Deutschland damals gesehen wurde und bis heute erinnert wird.

Emanuel Rádl: Wer ist deutsch?
Dieser Text bietet Einblicke in die Art und Weise, wie die politischen Forderungen der Sudetendeutschen in den 1930er Jahren in der tschechischen Gesellschaft wahrgenommen wurden. Emanuel Rádl erläuterte darin die Gründe für seine dezidiert ablehnende Haltung und erklärte ausführlich, worin er die wichtigsten Unterschiede zwischen dem tschechischen und dem sudetendeutschen Nationalismus gesehen hat: „Die Tschechen haben die Selbstständigkeit nicht im Namen der tschechischen Rasse, sondern im Namen der Freiheit der historischen Länder, also im Namen einer politischen Idee, verlangt [...] Die sogenannte ‚Selbstbestimmung der Völker’ im deutschen Sinne, der zufolge als Völker die Volksstämme verstanden und als die wahre, organische Grundlage des Staates den ‚Regierungen’ gegenübergestellt werden, blieb eine deutsche Phantasie, die zum Scheitern verurteilt war, weil sie an dem wahren Wesen des Staates vorübergegangen ist.“ (S. 38)

Emanuel Rádl über Othmar Spann
In der folgenden Passage setzte sich Emanuel Rádl kritisch mit den Ideen des Lieblingsphilosophen der Sudetendeutschen, Othmar Spann (1878-1950), auseinander, der 1907-1918 an der deutschen Technischen Hochschule in Brünn lehrte. Die Spannsche Begrifflichkeit prägte nicht nur eine politisch einflußreiche sudetendeutsche Organisation in den dreißiger Jahren, den Kamaradschaftsbund, sondern übt bis heute erhebliche Wirkung auf die sudetendeutsche kollektiven Identität aus: Wie der Mitgründer und 1968-1982 Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Walter Becher, ein ehemaliger Assistent von Spann und sein wichtigster Hagiograph, wiederholt betonte, sprach Spanns großdeutsch-völkische Konzept der nationalen Identität „insbesondere die Jugend des nach 1918 ganz besonders bedrängten Sudetenlandes“ an; vgl. Walter Becher: Der Blick aufs Ganze. Das Weltbild Othmar Spanns, München 1988, S. 72). Rádls bisher kaum beachteter kritischer Text könnte deshalb die deutsch-tschechischen Diskussionen bereichern und zur gegenseitigen Verständigung beitragen.

Emanuel Rádl: Die sudetendeutsche Politik im Lichte der tschechischen Politik
In diesem Text schilderte Emanuel Rádl als sorgfältiger Beobachter seine Sicht der tschechischen Wahrnehmungen des deutschen politischen Lebens in der Ersten Tschechoslowakischen Republik. Da es sich um eine differenzierte Betrachtung kurz vor Hitlers Machtübernahme im benachbarten Deutschland handelt, stellt dieser Text auch ein wichtiges historisches Dokument seiner Zeit dar.

Johann Purkyně: Austria polyglotta
In diesem Buch aus dem Jahr 1867 begegnen wir einem heute wenig bekannten Beispiel der tschechischen Sicht der Nationalitätenkonflikte in der Habsburgermonarchie. Der seinerzeit international berühmte Naturwissenschaftler Jan Evangelista Purkyně betrachtete die Schwierigkeiten im Zusammenleben verschiedener Völker in einem Staat in einer sachlich differenzierenden Art und suchte nach Lösungen, die ein friedliches Zusammenleben ermöglichen würden. Charakteristisch für die Grundhaltung des Autors ist das Motto seines Buches, das wie eine Antwort auf die fünf Jahre zuvor von Otto von Bismarck verwendete Redewendung „Eisen und Blut“ klingt: „Nur der Geist ist es, der alle Gegensätze versöhnt“.

František Palacký: Über Gleichberechtigung von Deutschen und Slawen
Aus diesem Text des tschechischen Historikers František Palacký stammt sein berühmter Satz: „Wir waren vor Österreich da, wir werden es auch nach ihm sein.“ Weniger bekannt sind jedoch die darin enthaltenen Überlegungen Palackýs über die Frage, wie das Prinzip der Gleichwertigkeit aller Völker politisch umgesetzt werden könnte.

František Palackýs berühmter Brief nach Frankfurt 1848
Dieser Text gibt den größten Teil des berühmten Absagebriefes wieder, in dem der tschechische Historiker František Palacký erläuterte, warum er es nicht für angemessen hielt, daß sich seine Nation an den Bemühungen um die Schaffung eines deutschen Nationalstaats beteiligen und warum sie seiner Meinung nach nicht ein Bestandteil eines solchen Staates werden sollte.

Pavel Stránský und die deutsch-tschechischen Probleme im 17. Jahrhundert
Wie dieser Text aus dem Werk „Respublica Bojema“ des emigrierten tschechischen Gelehrten Pavel Stránský aus dem Jahre 1634 zeigt, sind manche deutsch-tschechische Kommunikationsschwierigkeiten keineswegs neu und stammen nicht erst aus der Zeit des modernen Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert („Die Deutschen hätten immer andere Nazionen gering geschätzt, aber besonders alle die, die da slawisch sprechen“). Zu beachten ist auch die vom heutigen deutschen Sprachgebrauch abweichende Verwendung der Bezeichnung „böhmisch“ als Synonym für das in der zeitgenössischen deutschen Sprache übliche Adjektiv „tschechisch“.